Taghelle Nacht, fast windstill in dem watteartigen Wolkennebel. Vogellärm… Knüpfe Innenzelt aus, da das Außenzelt so früh bei diesen Verhältnissen bis zum Start nicht trocken werden wird. Packe. Verstaue alles reisefertig in die richtigen Taschen.




Ich bewundere von der Aussichtsplattform aus die verschiedenen Vogelarten in den Klippen und auf deren Rändern und…, kletternde Schafe: Das Muttertier, traumwandlerisch sicher auf den äußerst steilen, ausgetretenen Pfaden, die Lämmer, die sich scheinbar kopflos und „steil querfeldein“ in Richtung der Mutter stürzen….
Natürlich musste ich mit dem von der „Mama-Määäh“ verlorenen Stückchen „Wolle vom Stóri-karl“ meine Sammlung komplettieren.
Flagge und Wolle nahm ich mit, die Grasfläche wird sich im Laufe des Tages wieder erholt haben…
Kurz vor 7 starte ich, will gegen 11 Uhr an der Tankstelle in Þórshöfn sein, um wieder zu Mittag zu essen.
Diesmal bleibe ich auf einigen „Anhöhen mit Übersicht“ kurz stehen und fotografiere entspannt…
…Vor mehreren kurzen, nur etwa 10-20 m hohen, aber „vieeeel“ steileren Anstiegen als der hier abgebildete, ist das schlecht möglich: Da sind Kraft, Konzentration, Balancier-Vermögen gefordert. Nur dann findet „Stóri-karl“, voll bepackt und ganz „trittsicher“ den richtigen Pfad: Meter um Meter über Grus, Sand und Stein, über Löcher von durchgedrehten Reifen der Allradfahrzeuge und auch noch bei vielleicht nur 3 km/h Fahrgeschwindigkeit. Da darf dann aber das Hinterrad niemals durchdrehen (was die linear gestufte 14-Speedhub-Spezialgangschaltung zwar erleichtern aber nicht verhindern kann), da halten die Hände ganz locker (und dennoch stabil) den Lenker, da hüpft das Vorderrad, beschwert mit dem Gewicht der Radtaschen zielsicher in die nur zu erahnende richtige „Spur“, da muss der „Reiter“, ganz sicher im Sattel sitzend – das Kinn fast auf die Lenkertasche gestützt – die Beinkraft „mit Köpfchen“ dosieren und gleichzeitig alle dynamischen Abläufe äußerst konzentriert harmonisieren.
Da hätte man als Mountainbike-Fahrer keine Chance. Und auch ich mit „Stóri-karl“ nicht: OHNE GEPÄCK(!) und ohne Schuhe mit im Notfall leicht zu lösendem Klick-Verschluss…
Wie oben schon einmal angedeutet, trat der „Notfall“ niemals ein. Ich brauchte während der zweimal 37 km langen Strecke zum Basstölpelfelsen (und auch während der insgesamt 2709 km langen Island-Tour) niemals vom Rad zu steigen, weil die Kraft nicht ausgereicht, oder weil ich das Gleichgewicht verloren hätte…
Es gibt auch Schwarze Lämmer bei „weißen“ Mutterschafen…
SCHLECHT BEFAHRBARER WEG
Bewölkt, aber trocken. Bin um 10.55 Uhr in Þórshöfn da. Der Tankstellengrill öffnet sonntags um 11 Uhr. Punktlandung, Glück!
Außenzelt trocknet schon nach kurzer Zeit im Wind auf dem Rasen vor der Tankstelle und zieht die Blicke der „Locals“ und der wenigen vorbeikommenden motorisierten Touristen an. Innenzelt wird bald wieder eingeknüpft worden sein..
Proviant-Ergänzung.
Gleiches Essen wie gestern. Zwar sonst selten auf meinem Speiseplan und nicht sehr gesund, aber für meine „Funktionalität“ jetzt und unter den Umständen hier als Kompromis sehr nützlich, weil fett und eiweißreich…
Geländemotorradfahrer (Martin) aus Darmstadt spricht mich im Grill-Restaurant an. Er hat früher mit Fahrrad Afrika von Nord nach Süd durchquert. War letzten Winter per Motorrad noch durch Marokko unterwegs. Reisen mit (Motor)Rad durch Afrika sind heutzutage aber wegen der politischen Situation dort absolut unmöglich, konstatiert er…
Aus dem Reisetagebuch: 13 Uhr Aufbruch. Will noch bis Raufarhöpn, an Islands Nordpol um meinen Stein vom Knivskjelloden loszuwerden.Þórshöfn
„Einkaufswagen“ der „Locals“ für den Winter…, vor der Haustür geparkt.
Immer wieder gibt es vor Passstraßen aktive Hinweisschilder mit Angaben zur erwarteten niedrigsten Temperatur und Windstärke oben. Meistens auch Angaben zur dann erreichten Höhe. Ist diese aber unter 400 Höhenmetern, so entfällt die Angabe gewöhnlich. Die Temperatur- und Windstärkenanzeige sind dabei aber ebenfalls (hier waren es, glaube ich, 4°C und Windstärke 3) wegen der digitalisierten Anzeigenart und Kameratechnik nur vor Ort zu sehen aber nicht zu fotografieren…
Aus dem Reisetagebuch: Fahrt sehr schön, sehr anstrengend, dann sehr „widrig“ mit endlosen Anstiegen und Sicht von 20 m. Wolkennebelglocke um mich. Martin war bei den Vögeln. Er begegnet mir auf einer Berghöhe im Nieselregen. „“Scheisswetter!“, soll an der Nordostküste die nächsten Tage so bleiben…“ Tschüss und gute Fahrt…
Gut das ich mich nach dem Weg erkundigte und „Locals“ mir sagten, dass ich auf keinen Fall den GAMLA LEDEN (alten Weg), sondern die viel längere Asphaltstrecke nehmen soll (die Abfahrt auf den alten Weg sah ich. Nein, danke!
…Aus dem Reisetagebuch: Es gibt einen „Camping“: Container mit 2 Toiletten ohne Papier, eine „usellige“ Dusche. Vier Motorradfahrer aus Hagen, einer Fan vom VfL Bochum (!!!/Sticker auf der Jacke). Waren schon mal hier. Baue Außenzelt auf, lege Sachen rein, ziehe völlig durchnässte Schuhe, Socken, Handschuhe aus. Radle in Latschen barfuß zum Ort. Automatische Tankstelle. Café offen.
Denisa aus der Slowakei links, Katharina aus Dänemark rechts
Man versteht mich nicht: Denisa, eine Slowakin, lebt und friert seit 4 Jahren hier. Ich unterbreche ihr Englischgespräch mit einer Inderin(?). Slowakisch kann ich viel besser als isländisch. Erzähle ihr die Geschichte vom besonderen Stein, den ich vom Knivskjelloden* zu Islands Nordpol geschleppt habe. Verrückt!!! Ich sei verrückt!! Klar, sonst wäre ich nicht hier!
*Während meiner Reisen Durch Skandinavien war ich in 37 Jahren nur einmal am Nordkap. 2011 bei der Vorbereitung der Tour von 2013, jedoch zweimal, 2013 und 2015 an seit Eröffnung des Nordkaptunnels Europas nördlichstem Festlandspunkt auf der norwegischen Halbinsel Knivskjellodden, 1360 m weiter nördlich als das per PKW leicht zu erreichende Nordkap, Traumziel vieler „Nordic-Touristen“ gelegen. Dort zeltete ich 2015 auf dem von mir so definierten „Europas nördlichstem Zeltplatz für nicht freistehende Zelte“ – die letzten 50 m gab es am Knivskjellodden nur noch Felsgestein ohne jegliche Vegetation – und nahm zwei etwa kartoffelgroße Steine mit nach Bochum: Die nördlichsten tragbaren Steine Europas, die, ohne mit Zusatzwerkzeug freigeschlagen werden zu müssen, bis zum August 2015 auf dem Knivskjellodden waren. Den um 2 m nördlicher gelegenen davon schenkte ich meiner Frau als symbolischen Dank für die jahrzehntelange geduldige Unterstützung meiner mitunter „etwas ungewöhnlichen“ Unternehmungen auf verschiedenen Gebieten. Der zweite, um 2 m „südlicher“ gelegene rollte nun in der Lenkertasche mit, um ihn an Islands nördlichstem Punkt entweder ins Meer zu werfen, ihn alternativ an geeigneter Stelle zu deponieren oder im nördlichsten Ort Islands einer geeigneten Person zu übergeben, die im Wissen um die symbolische Bedeutung des von der nördlichsten Stelle „Festlandeuropas“ an „Islands nördlichsten Festlandspunkt“ transportierten Mitbringsels vielleicht gleich, vielleicht irgendwann einmal später im touristischen, mystischen oder anderen Zusammenhang etwas damit wird anfangen können… Zusammenfassend gesagt gibt es also auf dem Knivskjellodden und damit in Europa keine frei beweglichen Steine, die jetzt nördlicher zu finden wären als die beiden von mir im August 2015 aufgelesenen… Mein Stein vom Knivskjellodden…
Denisa ruft Þora an, eine Frau aus dem Ort. Diese kommt tatsächlich für 15 Minuten, ist interessiert, hat es aber sehr eilig, weil das EM-Finale FRANKREICH-PORTUGAL läuft. Wir verabreden uns für „nach dem Spiel“.
Denisas Freund ist Bulgare. Sie lockte ihn vor 14 Monaten nach Island, zum Frieren (Ich lerne ihn um 23 Uhr kennen, weil er dann zum Abkassieren der Campingmiete an mein Zelt kommen wird). Bulgarisch kann ich zwar fließend verstehen, zum richtigen Sprechen bräuchte ich aber 2-3 Tage Praxis in Bulgarien. Er kann Russisch zwar fließend verstehen, wie er mir abends sagen wird, aber nicht sprechen. Ach ja, unter den Hagenern ist eine motorradfahrende Frau dabei und ein aus Sibirien stammender Russe. Wir unterhalten uns zwischendurch kurz. Kurios!…
Als Þóra weg ist zum Spiel, kommt Katharina eine Dänin aus Ålborg herein, die sich mit Denisa befreundete. Sie studiert dort Anglistik, Skandinavistik mit verschiedenen Zusätzen. Die Liebe hat sie mit einem Isländer zusammengeführt, beide besuchen seine Familie hier. 2 Wochen. Kalt! Sie fliegt bald danach für eine Woche nach Griechenland. Zum aufwärmen …. Denisa hat mit ihrem bulgarischen Freund hier ein Haus erworben, sie sind eingewandert. Sie ist für das Café zuständig, obwohl sie, wie ihr Freund immer noch kaum isländisch spricht und alles auf Englisch abwickelt…
Zwischendurch fahre ich zum „mystischen Ort am Nordpol Islands“ und fotografiere Stein, Rad und das riesige noch längst nicht fertiggebaute Monument* aus verschiedenen Perspektiven.

Þora bei der „offiziellen“ Übergabe des Knivskjelloddensteines. Der Erbauer des noch sehr unfertigen, 2006 begonnenen Werks (das rechts meines Kopfes über dem Dach des flachen Gebäudes im Hintergrund zu erahnen ist) Erlingur Thoroddsen, starb vor anderthalb Jahren mit 67 an Krebs. Das erfahre ich nach dem Fußballspiel von Þora Soffia Gylfad, meiner „offiziellen“ Vertreterin Raufarhöfns . Es sollen in dem mystischen Werk, das inzwischen zu einem touristischen Wahrzeichen des Ortes mutiert, am nördlichen Polarkreis aufgelesene Steine von verschiedenen Stellen aller drei Kontinente verbaut worden sein, erfahre ich weiter. „Na also“, sage ich, „da ist „mein“ Stein vielleicht doch nicht ganz umsonst hierher gekommen, auch wenn er aus einer Gegend Europas stammt, die mehrere hundert Kilometer weiter nördlich des Polarkreises gelegen ist…
Der Stein wird nach der Übergabe deshalb zunächst sichtbar in Denisas Cafeteria an der Tankstelle von Rafarhöfn „deponiert“…
Ich esse ein riesiges Eis aus Denisas Angebot (gegen Erkältung), wünsche ihr alles Gute und verabschiede mich, gut aufgewärmt… Ahoj!