Durch die Entdeckung des „Schwarzen Meeres“ und mit dem spontanen Entschluss, das Zelt ganz in der Nähe von Islands „Südpolen“(*) aufzuschlagen, bin ich gestern recht früh „ins Bett“ gefallen. Kein Wunder (für mich), dass ich den auf 1 Uhr gestellten Wecker durch früheres Aufwachen überlistete und gegen 1.15 Uhr schon wieder unterwegs war. Wegen der Sommerzeit haben wir also eigentlich erst „Mitternacht“, dennoch ist es hier im Süden trotz bewölkten Himmels taghell. Eine Herde Isländer sieht mich und galoppiert neugierig auf mich zu. Bis zum Weidezaun. Den auf meiner Karte südlich der Ringstraße eingezeichneten Flugplatz auf der anderen Straßenseite habe ich nicht entdecken können…
(*)Geografisch-geometrische Sonderbetrachtung: Hinsichtlich Islands südlichsten Festlandspunktes widersprechen sich die Meinungen verschiedener Autoren. Es werden Kötlutangi oder Dyrhólaey genannt. Wer mag, kann im Internet nachforschen und für sich die Entscheidung treffen. Der Zufall wollte es aber, dass ich mich gestern Abend, ohne vorher davon Kenntnis gehabt zu haben, relativ genau in der Mitte zwischen den in Luftlinie etwa 20 km voneinander entfernten, östlich und westlich von Vik gelegenen Plätzen Kötlutangi und Dyrhólaey befand und das Zelt aufgeschlagen habe auf der Mittelsenkrechten, zwei Kilometer nördlich der Verbindungsstrecke…
Ein Radwanderer allein unterwegs. Ich. Kein Verkehr. Bis 8 Uhr brummen nur 3 Fahrzeuge vorbei. Ist ja auch Samstag…
Wache „Isländer“ um 1.30 Uhr also fast um Mitternacht.
Mýrdalssandur; der Mýrdalsjökull (Moortalgletscher) mit 30 km Durchmesser vielleicht fünfmal größer als der Eyafjallajökull bedeckt „Katla“ einen 1450 m hohen (Sub-glacial)Vulkan. er entwässert großflächig, prielartig und „dunkeltrüb“ über die schwarzen Mýrdalssandur (Moortalsande), welche den „einsamen Radler“ kilometerweit begleiten.
Der Mýrdalsjökull entwässert über viele trübe Fließe…
Lupinenbewuchs, übernimmt als „Lupinensteppe“ soweit oder fast soweit das Auge blicken kann über fast 50 km Wegstrecke die Verzierung der Landschaft nach den Mýrdalssandur…
Mýrdalsjökull
Hier haben Lupinen die natürliche „Tundrasteppe“ noch nicht verdrängt (im Hintergrund: Mýrdalsjökull)
Katla, der wohl aktivste, zweitgrößte Vulkan Islands ist größtenteils vom Mýrdalsjökull, dem mit 580 Quadratkilometern viertgrößten Gletscher Islands bedeckt. In 1000 Jahren brach der Katla etwa zwanzigmal aus, im Schnitt zweimal je Jahrhundert mit zum Teil verheerenden Folgen. Der erste historisch belegte Ausbruch vernichtete 894 das etwa an dieser Stelle liegende Großgut Laufskógar. Die Tradition verlangte, das man, wenn man an diesem Hügel vorbeikam, eine kleine Steinwarte errichtete, um sich Glück für die Weiterreise zu sichern.
Das staatliche Straßenbauamt ermöglicht es den Reisenden am Mýrdalssandur auch heute, diese Tradition zu erhalten, indem es dort Steingut zur Verfügung stellt…(z.T. zitiert von der obigen Tafel.)
Raubmöwen sind Menschen gegenüber eigentlich recht scheu. Ich habe oft an anderen Stellen – nicht nur in Island – beobachten können, wie sie (auch im Team zu Zweit oder zu Dritt) in sehr akrobatischen Flugvarianten recht erfolgreich Küstenseeschwalben verfolgten, bis diese ihre im Schnabel steckenden Kleinfische fallenließen. Noch in der Luft gelang es dann den Räubern den „Mundraub“ aufzulesen… Das abgebildete Exemplar hat sich auf Mundraub bei Menschen spezialisiert: Stoisch wartete es in etwa 3 m Entfernung bewegungslos auf dem Boden stehend oder aus höherer Warte ab, bis der Radwanderer nach mehrstündiger Fahrt sein Süppchen gekocht und verzehrt hatte, sich Brote machte und schließlich – natürlich nur zu Testzwecken – ein größeres Stück seiner „Nachtischschokolade“ auf es zuwarf. Blitzartig stürzte sich der Vogel auf die Beute, um die es trotz beträchtlicher Größe bald geschehen war, und flog unverzüglich weg…
Eine dicke, „fette“, dichte arktische Moosart verdeckt die Lava ganzer Landstriche kurz vor Kirkjubæjarklaustur. Der zwischendurch fallende Regen wird augenblicklich aufgesogen. Es ist kühl.
In Kirkjubæjarklaustur selbst reißt der Himmel auf und in der Sonne wird es augenblicklich warm. Nach einer längeren Pause geht es weiter durch eine sehr schöne, recht flache Landschaft bis die wunderschönen Kaskaden der Þvera bei Foss direkt an die Ringstraße heranreichen. Deutsche, mehrere Motoradfahrer und zwei Reisende mit Campingbus aus Berlin machen hier auch Pause. Ich werde gebeten, mich fotografieren zu lassen und gebe Auskünfte zur Tour, hauptsächlich aber zur Waldorfpädagogik: JA, DIE MEISTEN UNSERER SCHÜLER BEENDEN BEI UNS IHRE SCHULZEIT MIT DEM ABITUR!
Die Abfahrt zu einem Bauernhof wenige hundert Meter nach den Wasserkaskaden nutze ich, um in Flussnähe eventuell eine Möglichkeit, das Zelt aufzuschlagen zu finden. Das gelingt.
Nach dem Essen Gelegenheit zur „Großwäsche“ in der sehr flachen Þvera (gespr. Thfera mit stimmlosem, englischen(?) „th“), deren Flußbett und die Ufer bis zur Grashöhe schwarz sind. „Schwarzwasser“? Nein, das Wasser selbst ist hier an ruhiger Flussstelle klar. Aber der nasse, schwarze Vulkanstaub klebt an den nackten Füßen…
Schlafen. Ein paar Telefonate – ich habe Netzkontakt – Tagebuchschreiben. Dazwischen Lifestream des Spiels Italien – Deutschland. mit Elfmeterkrimi. Deutschland ist im Halbfinale…
Absolute Windstille. Tau fällt. Noch stärker aber fallen die Temperaturen. Fast auf die Nullgrenze. Die Wäsche bleibt nass.
Schlafen, weil es kurz nach Mitternacht weitergehen soll…